Europäischer Märchenpreis 2018 für Prof. Dr. Juha Pentikäinen

Der renommierte Europäische Märchenpreis der Märchen-Stiftung Walter Kahn geht in diesem Jahr an den finnischen Forscher Prof. Dr. Juha Pentikäinen.

Das Kuratorium hat sich damit wieder für die Internationalität dieser Forschungsrichtung entschieden. Überreicht wird die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung am 20. September 2018 in Volkach bei Würzburg. Um 18 Uhr beginnt die Feier, die Laudatio wird sein namhafter Kollege, der Literaturwissen-
schaftler und Philosoph Prof. Tarmo Kunnas (em. Universität Jyväskylä) halten.

Die Option für den diesjährigen Preisträger folgt einer mehr als zwanzigjährigen Tradition, auf die dieser Preis mittlerweile zurückblicken kann. Verliehen wurde er an Persönlichkeiten aus aller Welt, die sich in herausragender Weise und oft lebenslang um die Erforschung und Pflege der europäischen Märchen- und Sagentradition verdient gemacht haben. Das bedeutet heute auch, dass sie im Sinne der UNESCO den Erhalt des überlieferten europäischen Märchen- und Sagengutes als Welterbe unterstützt und in die Praxis umgesetzt, sowie das Märchen- und Sagengut in der Öffentlichkeit gepflegt haben.

Der diesjährige Preisträger ist Religionswissenschaftler, Kulturanthropologe und Folklorist. Er wurde 1968 in Turku promoviert mit einer Arbeit zum Thema Nordic Dead Child Tradition. Er gründete und leitete das an der Universität Helsinki etablierte Fach Religionswissenschaften. Zudem war er Gründungsmitglied von und Professor an der norwegisch-samischen Universität von Tromsø. Seit seiner frühesten Jugend hat Prof. Pentikäinen in Ostrobottnien, Lappland und Ungarn Feldforschung betrieben. Ein interdisziplinäres Projekt zu Schamanismus und Arktischer Identität am Centre for Advanced Studies der Norwegischen Akademie der Wissenschaften machte ihn weltbekannt. Er war Funktionsträger in den verschiedensten Organisationen der UNESCO, sowie in zahlreichen Gelehrtengesellschaften (u.a. Folklore Fellows, Helsinki). Zuletzt fungierte er als Hauptherausgeber der neuaufgelegten Encyclopaedia of Religion (2005), zuständig vor allem für den Bereich Arktische und Uralische Religionen. 2008 wurde er emeritiert. Er wirkte zudem als Professor für Ethnographie
des Nordens an der Universität von Lappland im finnischen Rovaniemi und hatte Gastprofessuren in den USA inne.

Als „Advanced Scholar of Shamanism“ erhielt er eine große Auszeichnung: den Wissenschaftsorden der International Society for Shamanic Research. Die wissenschaftliche Eigenständigkeit seiner Arbeiten über den Schamanismus zeigt sich am deutlichsten in The Shamanic Drum as a Cognitive Map (1987), in dem er die Geschichte einer Schamanentrommel und den kosmologischen Aufbau der auf der Trommel abgebildeten Figuren sowie das Weltbild der Samen untersucht. In der Enzyklopädie des Märchens kann man Näheres über sein Leben und Werk nachlesen. Besonders beeindruckte die Märchenstiftung auch die international beachteten Studien zum finnischen Nationalepos, zum Kalevala. Seine Studien beruhen meist auf empirischer Basis, wobei Feldforschungen bei indigenen Bevölkerungsgruppen im Mittelpunkt steht: wie ist schamanistische Glaubenshintergrund uralischer Ethnien und ihrer Märchen in Nordeurasien?

Seine Bedeutung für die Märchenforschung liegt vor allem in der methodischen Pionierleistung; Professor Pentikäinen ist einer der bedeutendsten Vertreter der auf die Informanten und Gewährspersonen hin orientierten sog Erzählerforschung, der die Märchen-Stiftung Walter Kahn mit ihrer Tagung: Der Mensch hinter dem Text (2014) bereits Reverenz erwies. Er wandte von Anfang an historische und geographische, sowie genre-, frequenz- und funktionsanalytische Methoden an, die er mit unterschiedlichen theoretischen Anschauungen zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise verbindet. Eine solch „menschennahe“ Arbeitsweise prägt P.s berühmte Studie Marina Takalonuskonto ([Die Religion der Marina Takalo], Helsinki 1971, die als Oral Repertoire and World View 1978 ins Englische übersetzt wurde), eine Langzeitstudie, für die P. jahrzehntelang die aus dem russischen Karelien vertriebene Marina Takalo interviewt hatte.

Für die Märchen-Stiftung Walter Kahn: Sabine Wienker-Piepho, (Freiburg)

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